Elli „The Braini“

Der beste Sohn ist mit seinen  16 Jahren in einer Lebensphase in der er eher weniger Wert auf geselliges Zusammensein im Kreise der Familie legt. Damit unterscheidet er sich wohl wenig vom gemeinen Adoleszenten seines Geschlechts oder Alters. Nach 13 Jahren in denen ich oftmals den Eindruck hatte, dass er nicht bei mir, sondern in mir lebt, habe ich nun ein introvertiertes Höhlenmännlein, das nur selten seinen Bau verlässt, um meine Nähe zu suchen. Offizielles und unübersehbares Fanal dieser neuen Bedürfnisse, ist eine so gut wie immer geschlossene Zimmertür. Ich versuche meine Kinder, ob mit oder ohne Fell immer bedürfnisorientiert zu begleiten, daher empfinde ich die geschlossene Tür als Bitte an seine Umwelt nicht übergriffig zu werden und auf seine Einladung in seine Welt zu warten. Außerdem kann sich selbst die blondeste Mama der Welt merken, dass Tür zu- bleib draußen oder bitte gefälligst um Einlass, bedeutet.
Letztes Jahr stand unüblicherweise seine Zimmertür des Öfteren mal einen Spalt breit auf. Ohne mir etwas dabei zu denken, schloss ich sie jedes Mal, wenn ich zufällig an seinem Zimmer vorbei kam.
Eines Morgens, der beste Sohn schon beim Frühstück, ich auf dem Weg unter die Dusche, seine Tür offen. Automatisch zog ich sie nebenbei ins Schloss und ging duschen, hörte trotz rauschenden Wassers und altersbedingt partiell doofen Ohren, wie die Tür sich wieder öffnete. Während ich mich anzog, sah ich den besten Sohn an unserem Schlafzimmer vorbei gehen, kurz verharren und in sein Zimmer verschwinden. Kurze Zeit später tauchte er hinter mir im Badezimmer auf, normaler Hygienealltag, er Zähne putzend, ich kopfüber Haare föhnend. Der junge Mann verließ gestriegelt und gepflegt unsere Waschkaue, um direkt, mit leichter Zornfalte zwischen den blauen Augen, wieder neben mir aufzutauchen. Er blickte mich vorwurfsvoll an und fragte etwas, dass durch mein Föhngedröhn und den besagten doofen Ohren, einfach unterging. Ich stellte den Föhn aus und mich innerlich seufzend, seinen Vorwürfen.
„ Kannst Du nicht einmal die Tür hinter Dir wieder zumachen, wenn Du in meinem Zimmer warst?!!“ Also ich bin ja gerne bereit, zumindest bei meinem Kind, Fehler zuzugeben, aber das war echt ein unzutreffender Verdacht, schließlich rannte ich seit Tagen hinter ihm her und schloss seine Tür. „Ich habe die Tür heute schon zwei Mal für Dich zugemacht, weil Du es vergessen hattest!“ Er kreuzte die Arme und ging aus Abwehr,: „Du?? Kann gar nicht sein, ich habe die Tür heute zum tausendsten Mal hinter DIR zugemacht!“ Normalerweise finden wir an dieser Stelle ziemlich schnell einen passenden Schuldigen, aber der beste Kerl stand nicht zur Debatte, er war schon seit zwei Stunden aus dem Haus zur Arbeit, ein wasserdichtes Alibi. Während wir Beiden noch hin und her diskutierten, wer, wann, wieso und warum sich an diesem Morgen aufgehalten hatte, sah ich die zwei roten kleinen Gangster mit hocherhobenen Sterten an uns vorbei marschieren in Richtung Arbeitszimmer/ Katerkinderzimmer. Vor dem Zimmer des besten Pubertiers stockten sie vor der verschlossenen Tür. Sie setzen sich auf ihre kleinen Podexe und meckerten sich in hohen Maunzlauten an. Irgendwie hörte es sich an, wie eine schnatternde, aufgeregte Diskussion. Sie war so laut, dass wir Zweibeiner unseren Disput unterbrachen und auf den Flur traten, um zuschauen, was die Terrorzwerge so erregte. Jake und Elwood schauten sich an, auf die verschlossene Tür, dann sprang Elli aus dem Sitzen zielsicher auf die Türklinke des verbotenen Zimmers, die Tür öffnete sich für einen Spalt, durch den sie selbstverständlich und zufrieden schnurrend verschwanden. Wie hieß noch die Band? – „Curiosity killed the cat“. Der beste Sohn blickte entrüstet hinter den zwei Kobolden her, schaute mich an: „Ich will einen Schlüssel- sofort!“ Er hatte ja recht, glücklicherweise, erinnerte ich mich noch an den Platz , wo ich den Schlüssel vor 13 Jahren aus sicherheitstechnischen Gründen an mich genommen und deponiert hatte. Er erhielt seinen Schlüssel und die Zwerge Zimmerverbot. Ein Verbot, das sie zwar in ihrer Arbeitsplatzbeschreibung gelesen, unterschrieben und abgenickt hatten, in der realen Welt jedoch wenig akzeptiert haben. Sie nutzen jede noch so winzige Chance, in das verbotene Zimmer zu gelangen. Oftmals scheint es, als lauschten sie abends intensiv auf das Geräusch des sich drehenden Schlüssels im Schloss. Bleibt dieses frustrierende Geräuschquelle aus, warteten sie zielsicher, bis der Herr des Zimmers sich endlich zur Ruhe bettete, um sich noch eine halbe Stunde der Dinge zu harren, die da kommen sollten. Im Schutz der Dunkelheit und Schlafgeräusche der Zweibeiner, schlichen die beiden Schlingel aus ihren jeweiligen Schlafkojen und machten sich lautlos auf die Samtsöckchen. Vorm Tor zum Glück  übernahm eher untypisch, der sonst  scheuere Ellwood die Führung. Es endete immer gleich, ein federleichter Sprung an die Klinke, ein Einhaken mit dem linken Vorderlauf und abdrücken der rechten Läufe am Türrahmen, ein Loslassen mit einem lauten Hochschnaken des Türöffners. Noch im Öffnen, marschierte Jake, der bisher die passive Rolle des Schmierenstehers inne hatte, schnell und geduckt in das Paradies für Jungs. Kurz darauf ein Rumpeln, ein Poltern von Trinkflaschen, ein tiefes Seufzen eines entnervten Menschenkindes das gerade im Begriff war von Wach zu Schlafzustand überzuwechseln und wegzuschnüsseln. Die Zwerge , die eine Party im Sinn hatten, wuselten derweil kreuz und quer auf der Suche nach einem schnellen Versteck. Keine Chance, sie wurden trotz Protestmaue vom Besten Sohn beide  gleichzeitig eingesammelt, vor die Tür befördert, um enttäuscht vor geschlossener , mit Schwung zu geworfener und demonstrativ abgeschlossener Tür zurück zu bleiben. Keine Frage, an wem die Beiden nach so einer Schlappe ihr Mütchen kühlen würden…

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Elli zeichnet sich nicht durch ein übermäßiges Talent zum Jagen von Getier aus. Nebenbei verträgt er die selbst gefangene Frischware auch nicht besonders gut. Ich frage mich, ob ich ihn auf Mausoseintoleranz testen lassen sollte. Nichtsdestotrotz nennen wir ihn intern nicht ohne Grund , „The Brain“. Er hat sich die Technik des Türen öffnens selbst erschlossen. Dabei waren Zimmertüren lediglich der bescheidene Anfang eines Upcomming  New Houdini. Sehr schnell erweiterte er sein Tätigkeitsfeld auf die Haustür, das Öffnen mehrerer Türen in Reihe , um sein Ziel die große Freiheit zu erreichen. Nach den normalen Brüchen , folgte das Öffnen von Schranktüren und Schubladen. Ellman fand zu jedem Hindernis, die passende Öffnungstaktik. Egal ob er Klinken herunterdrücken, die Tür nach innen aufziehen, an Beschlägen ziehen oder die Pfoten in Schlitze frieseln musste, um die Lade aufzuhebeln – Prof. Dr. Exit fand immer eine Lösung. Vermutlich hätte er die Briten schon vor Jahren aus der EU befreien können, wenn er es denn für sinnvoll gehalten hätte. Hat er aber nicht, er arbeitet nur am Kexit, freie Fahrt für  die Katzen der Welt.Sie können mit Freiheit sehr viel besser umgehen  und sie aushalten, wie die europäische Menschheit. Mit seinem Talent Barrieren zu überwinden , hat er es tatsächlich unfreiwillig geschafft in die Planung unserer neuen Küche einbezogen zu werden. Als es im Planungsgespräch über die grundsätzlichen Wünsche an die Ausstattung  des guten Stücks ging, war die einstimmige Aussage- egal , Hauptsache grifflos. In der alten Küche war er nach einigen Übungsläufen derart versiert, dass er sowohl die Unterschränke, den Kühlschrank als auch die Oberschränke mühelos türfrei machen konnte. Leider konnte ich ihn bei den Oberschränken nie fotografieren, weil es ansonsten wohl niemand glauben wird. Der kleine Daltonbruder stellte sich auf die Arbeitsplatte wie ein Erdmännchen, hakte den linken Vorderlauf in den Griff des Oberschrankes und drückte sich dann mit dem rechten Vorderlauf nach hinten ab, wenn die Schranktür aufschwang, hing er kurzzeitig mit dem linken Vorderlauf schwebend an der Tür, um sich dann auf die Arbeitsplatte zurück fallen zu lassen. Zwei Sekunden später duckte er sich, taxierte und sprang in den geöffneten Schrank. Sehr zum Vergnügen des Hundes schmiss er in Windeseile alles Essbare hinaus.  Leider hatte er nicht mit der Ungerechtigkeit der Welt gerechnet, kaum berührten Keks und Co. den Boden, verschwanden sie im Hund. Und dieser zeigte weder die Absicht die Beute zu teilen, noch ein schlechtes Gewissen, wenn die beiden roten Raubritter schnatternd und meckernd um ihn herum schwirrten, in der Absicht ihren verdienten Anteil einzufordern. Das gleiche Prinzip fährt Herr Hund auch bei seiner neuesten App, LiefermalrannDukleineKatze. Wir nennen es auch gerne Essen auf Katern. Sobald der Hundeopi einen der Rotznasen im Garten entdeckt, begehrt er ebenfalls einen Freigang über die eigene Scholle. Er begibt sich umgehend auf seinen Kontrollgang durch die heimische Botanik. Besondere Aufmerksamkeit spendet unser selbst ernannter Facility Manager den  Ausscheidungsentleerungsorten der kleinen Katerpöter. Unter Missachtung der eigenen Gesundheit reinigt  die fleißige Häufchenfee die Outdoortoiletten der Kater. Nach dem er diese Aufgabe zu seiner eigenen Zufriedenheit erledigt hat, schaut er gerne zum Unbill der SchimpfPimpfe, ob und was die Beiden im Nagerparadies erfolgreich erworben haben. Er trennt den jeweiligen Lieferanten durch ein sauberes Tackling von seiner Beute und bevor dieser sich lauthals mit hoch erhobenen Köpfchen und Stert bei Mama beschweren kann, schluckt er die teils noch zappelnde Maus in einem Haps herunter. Ich frage mich, ob in seinem Bauch eine Armada von mehr oder minder lädierten Mäusen um einen Nierentisch sitzen und den gemeinsamen Gegenangriff von innen nach außen planen. Merkt man,  dass ich in meiner sensiblen Jugendphase mit „Tom und Jerry “ sozialisiert wurde?  Elli ist vermutlich sogar gar nicht so böse, dass der olle Köter ihm den letzten Akt der Jagdverhaltenskette ungebeten abnimmt. Elli verträgt ja bekannterweise den Verzehr  von Nagen aller Art nicht sonderlich gut. Endet meistens mit einem Wladeladellahhh, so wie in der Geschichte „Mama mir ist schlecht!“ beschrieben.  Seit sein Bruder sich als Doggyguard hervor tut, werden die Beiden gerne nach dem Abendessen zum Hausarrest verdonnert. Hier gilt “ Mitgegangen- Mitgefangen und Weggesperrt“. Ein Umstand, den Ellwood bei aller Großmütigkeit so gar nicht einsehen kann. Er meckert und  keckert vor sich hin, springt auf sämtliche Türklinken, die den Weg in die Freiheit versprechen, er flirtet mit Demjenigen, den er für Schlüsselgewaltig und fähig hält. Spurt Derjenige nicht, werden auch schon mal Scheinattacken auf Füße gestartet, sein Spielzeugkarton im Wohnzimmer wird durchwühlt und sämtliche Spielsachen müssen wohl dringend mit Schwung heraus geworfen werden. Wenn er völlig überdreht, putzt er seinen unschuldigen Bruder so aggressiv, indem er sich dessen Kopf zwischen zwei Tatzen fasst und wie manisch beginnt Jakes Kopf zu putzen. Schon die Art , wie hektisch er dies tut, zeigt, wie geladen der kleine Stänkerkopp ist. Wenn er seine Putzattacke übertreibt, kommt es über kurz oder lang zu einem fauchenden Geschubse unter Brüdern. Bevor die Situation kippt, nimmt ihn der beste Sohn immer auf den Arm, trägt ihn zu mir, setzt ihn hab mit den Worten, „Elli ist völlig überdreht, der braucht jetzt eine Auszeit!“. Streichelt ihn und setzt ihn auf mich und verschwindet. Elli schaut ihm dann immer mit zusammen gekniffenen Augen nach und- bricht zusammen und schläft. Der beste aller Söhne, weiß immer ganz genau , wie der Kleine tickt und was er braucht. Vor Kurzem hat Ellman den Vogel abgeschossen. Er hatte das gesamte Repertoire von William Wallace hinter sich gebracht, ohne sein Ziel „Freiheit“ zu erreichen.Mit seinen ellitypischen Snerrtlauten rannte er die Treppe hinauf. Er konnte so laut stampfen, dass man bei dem Begriff „Samtpfötchen“ neu definieren muss. Samtpfote- wohl eher Tonnenelfe auf Bleiheels. Ich sah ihn am Schlafzimmer vorbei stapfen und dabei in sich hinein meckern. Dann Stille. Da Stille und kleine Kobolde nie eine Gutes verheißende Kombination waren, schrillten meine inneren Alarmglocken und ich lugte vorsichtig um die Ecke. Er saß vor der Tür des besten Sohnes und starrte vor sich hin, wie ein Standbild. Dann ging alles sehr schnell. Bevor Jemand reagieren konnte, sprang er auf die Türklinke, die Tür sprang einen Spalt auf, er zwängte sich hindurch, sauste ins Zimmer, dicht gefolgt von seinem Bruder, der zu ahnen schien, was kommen sollte. Im Zimmer ein entsetztes „NEIN- Oh man Elli!!!!!“ , begleitet von Gepolter. Ich blickte fragend in den Raum. „Er ist direkt auf mein geöffnetes Fenster zugestürzt und über das Dach und Terrassenüberdachung abgehauen! Und ich konnte das Fenster nicht zuschmeissen, dann hätte ich Jake eingequetscht , der Elli gefolgt ist.- Sorry.“ Zwischen den leicht vorwurfsvollen Erklärungen, schwang ein Hauch Bewunderung mit. „Das hat Der doch eiskalt geplant!“ Man weiß es nicht, aber tief in mir denke ich schon, dass er seinen Ausbruch als er vor der Tür saß  genau durchdacht hat. Er brauchte eine unabgeschlossene Tür, einen Teeny mit Kopfhörern, ein offenes Fenster, einen Überraschungsmoment  und er hatte nur einen Versuch.Läuft. „Elli- The Braini.“

 

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2 responses to “Elli „The Braini“

  • Marie-Luise

    Unglaublich euer „The Brain“ – gefällt mir richtig gut dies Geschichte.
    Niemals Langeweile mit euren Tieren!😊👍🐱🐱🐶

    Gefällt 1 Person

    • heikehillebrand

      Das ist wohl wahr Und ob du es glaubst oder nicht, Während ich hier antworte, belagert Jake den Heizkörper im Esszimmer. Er hat zum wiederholten Male eine Maus hereingeschleppt, sie unter dem Heizkörper ausgespuckt und seelenruhig zugesehen, wie diese hinter ihm die Wand hochkletterte. Nun schimpft er vor sich hin, weil seine Pfoten nicht lang genug sind. Heißt, ich kann die arme Maus dann retten, wenn der Herr die Lust verloren hat. o.O

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