„Bambi ist eine hohle Nuss!“ (September 2013)

Tricky kam, sah und siegte. Seitdem besetzt er unsere Haus, unseren Garten, unser Bett, unsere Zeit, unsere Gedanken und unsere Herzen. Als er unserer Familie beitrat, verschwieg er, dass er in mehreren Organisationen nicht nur Mitglied, zweiter Vorsitzender sondern Präsident ist. Er gehört den Anonymen Lebensmittelrettern, eine Orga, die Lebensmittel vor dem Verzehr rettet indem sie diese mangels Lagermöglichkeiten mit absolutem Widerwillen selber vernichten muss, Häufchenfee, wenn die eigentlich Verantwortliche(also ich) , es nicht schnell genug schafft die Katzenklos von ihrem duftenden Inhalt zu befreien oder während der Tätigkeit einer Ohnmacht anheimfällt, ebenso an, wie der Liga der Traue- keinem–Fremden-und-schau-mich-nicht-an-oder-ich-fress-dich-Vierläufer, er ist die graue Eminenz des gemeinnützigen Vereins der Blondinenversteher- und Begleiter, aber in erster Linie ist  er die Lichtgestalt des Geheimbundes „Freie Jagd für freie Jagdräuber“.

Wir haben für alle seine Vereine und Pokale eine Ecke auf dem Sims unseres Verhaltensrepertoires gefunden, wir haben enorm viel von ihm gelernt, manchmal unter Tränen, oft unter Tränen des Lachens. Sein Geheimbund hat mir dabei mit die meisten „Aha- Erlebnisse“ bereitet und seitdem ich die Ehre habe ab und an mal als seine blonde Assistentin mit auf Streifzug zu gehen, ist meine Demut vor seinen großartigen Fähigkeiten  unendlich gewachsen. Allerdings ist gleichzeitig auch mein Verständnis für meine Kunden ins unermessliche gewachsen, die verzweifelt mit ihrem Jagdschweinchen an der Schleppe und ausgekugelten Gelenken vor meiner Tür stehen und deren Leidensdruck unfassbar hoch ist. War Jagdverhalten schon immer mein Steckenpferd, das mich einfach sehr interessierte hat Tricky dieses abgehobene „Wissen wollen“ mit Tränen,Erfahrungen und Schmerzen gefüllt.

Was wollte ich noch erzählen? Egal, Tricky und ich , beide mal wieder „naughty by nature“ unterwegs. Hier bei Hause, hier , wo sich Förster und Reh „Und?!“ ,“Muss!“, Und selbst?!“, „Muss, muss.“, sagen. Tricky offline, veränderte von jetzt auf gleich seine Körpersprache und zu seinem Bedauern, bekam ich es rechtzeitig mit. Zwei Augenblicke später lief mein Trickhelm Online. Körperhaltung immer noch leicht schräg wie ein Krebs und nicht wirklich gut zu sprechen auf die Spaßbremse hinter sich. In diesem Moment sah ich sie. Hinter der Kurve, an einem kleinen Waldhain, auf dem frisch abgeernteten, leicht dampfenden Feld. Eine Gruppe von etwa zwölf Rehen tauchte direkt vor uns auf. Sie nahmen uns erst in diesem Moment war, der Wind muss ungünstig gestanden haben. Für eine Nanosekunde starrten wir uns an, überrascht waren alle, außer Trickbär, er hatte vorher gewusst, dass sie hier irgendwo sein mussten. Nach einer Zeitlupensequenz mit erhobenen Rehköpfen, spielenden Riesenlauschern und einsaugenden Nüstern und aufgerissenen Riesenaugen, kam Bewegung in die Erstarrung. Die Gruppe drehte auf den Hufen um und stob in wilden, weiten und eleganten Sprüngen in Richtung Waldlichtung davon. Ich hielt unbewusst den Atem an, spannte alle meine Muskeln, um den unweigerlich kommenden. explosionsartigen Ruck abzufedern, ohne dabei unelegant auf die Fresse zu fliegen. Stille- in meinem Augenwinkel die fliehenden Rehe, vor mir die hochgespannte Ringelrute, aber keinerlei Bewegung. Ich folgte seiner Rückenlinie und dem wahrscheinlichsten Blickwinkel meiner felligen Wundertüte und erstarrte.

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Alle waren abgehauen- Alle? Nein, nicht alle. Eine kleine Gruppe unbeugsamer Rehe, in Zahlen Zwei, nennen wir sie doch einfach „Dumm und Dümmer“ leistete erbitterten Widerstand.  Alle anderen waren nach links abgestoben, nur die Beiden hatten sich gedacht:“Lass uns mal was Neues ausprobieren, lass uns einfach direkt auf Köter und Köterhalterine zulaufen.“ Mir stockte der Atem, Tricky erholte sich schneller aus der Schockstarre und jagte  mit einem gewaltigen Hechtsprung in das Ende der Leine. Er war außer sich und schaute sich irritiert um, weil ich, wie ein Anker mit den Widerhaken im Asphalt gekrallt gegen hielt. „Doof und Doofer“ rannten weiter unbeirrt auf uns zu, wir hatten noch genau 20 Meter Acker zwischen uns, Tricky drehte komplett ab und sprang wie ein angeficktes Eichhörnchen am Ende der Leine immer wieder voller Wucht ins Geschirr und brüllte mich mit Jagdlaut an als wollte er sagen:“ Lass los, wenn du zu blond ist hole ich uns die Zwei. Mach was du willst aber LASS MICH LOSS, dusselige Kuh!!!!!“. Ich begann auch zu brüllen und zwar in Richtung der beiden Kamikazerehe:“ Haut ab ihr bekloppten Mistviecher, ich kann den nicht mehr halten, verdammte Scheiße!!“ Wenn ich auch nur eine Hand frei gehabt hätte, ich hätte sie mit allem beworfen, was ich unter die Krallen bekommen hätte. Ich war schweißgebadet und keuchte wie nach einem 100 Meter Sprint. Plötzlich schienen die zwei Hammerwerfer unter dem Hochwild irgendwie an ihrem Plan zu zweifeln und drehten nach kurzem Verzögern endlich ab- nach rechts. Tricky tobte weiter, ich hangelte mich mit Entspannungswort, Umorientierungssignal irgendwie in Richtung hüpfender, verkrampfter Ringelrute. Irgendwann hatte ich ihn wieder und er war immerhin minimal ansprechbar, immer noch außer sich und ebenso durch wie ich. Fertig wie ausgekotztes Toastbrot. Langsam erwachte auch wieder mein Schmerzzentrum und während ich noch alle meine Gelenke sortierte nach überdehnt, überdreht, gestaucht, nach „ichwußtevorhergarnichtdassesdichgibt“ und nach ist ok, sah ich wie Trickhelmchen sich schon wieder anspannte. Was war nun wieder? Seine Impulskontrolle war komplett aufgebraucht und meine Kräfte, um die fehlende Impulskontrolle seinerseits, auszugleichen in Form von dagegen stemmen, auch. Ich blickte nach rechts und verlor den Glauben an alles was ich dachte über Natur zu wissen. Von rechts kamen- „Dumm und Dümmer“ – unfassbar!! Was war das?? Eine Mutprobe? Versteckte Kamera?? BlondinenreissfestTest?? Irgendwie war den Beiden wohl aufgegangen, dass alle anderen, schlauen Rehlein nach links in Richtung Wald gesprungen waren und das nicht immer alles blöd sein muss, was Alle machen… Also zurück zur Einheit- Schade nur, wenn zwischen rettendem Heimathafen und eigener Kohorte immer noch ein tobsüchtiger Jagdräuber mit Adrenalin bis unter die Schädeldecke an einer völlig zerzausten Vogelscheuche hängt, die keuchend, derangiert, mit verzweifelten, blutunterlaufenen Augen, wirren Haaren und nassgeschwitzt wie ein drittklassiger Kirmesboxer wahrscheinlich nicht mehr lange hält, steht.

Irgendwann waren wir zu Hause, ein zu tiefst enttäuschter Trickbär, der nachdem er meinen Antrag auf eine Hospitantenstelle in seinem Geheimbund wortlos zerkaute und herunter schluckte, mich mit Verachtung strafte und eine zutiefst verstörte Blondine, die erst mal ihren schmerzenden Kadaver unter die Dusche schleppen musste, nachdem ich einen Liter Wasser geext hatte. Den Rest des Tages beherrschte mich nur ein einziger Gedanke:“Ich will Wölfe!“.

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2 responses to “„Bambi ist eine hohle Nuss!“ (September 2013)

Meinung? Gerne.

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